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Gastspiel Herold/Fliri:  Covergirl
Theater

Wie Lynndie England dazu kam, das böse Amerika zu verkörpern

Eine Produktion von Herold/Fliri

Es spielt: Maria Fliri
Text und Regie: Barbara Herold
Kostüm: Ursula N. Müller

"Mann. Nackt. Hundeleine. Frau. – Covergirl."

So beschreibt Lynndie England das Foto aus Abu Ghraib, mit dem sie sich ins kollektive Gedächtnis unserer Zeit gebrannt hat.

Das eindrückliche Theaterprojekt bietet eine Sektion des „Menschen“ hinter dem „Monster“. Zwischen Dokumentation und Fiktion, zwischen innerem Monolog und Kabarett bewegt sich das Stück, das auf makabre, aber behutsame und sogar humorvolle Weise aus dem Leben der jungen amerikanischen Soldatin erzählt und Antworten auf die Fragen rund um die Vorkommnisse von Abu Ghraib sucht.

„… ein engagierter Versuch, sich durch Fiktion die Abgründe der Realität erklären zu wollen. Hier soll kein Ziel erreicht, sondern reflektiert werden. Das ist vorbildlich…“ Süddeutsche Zeitung


:: KRITIKEN ::

Im Banne von "Shithead"

"Covergirl" ist eine intensive, sehenswerte Auseinandersetzung mit den USA im Irak-Krieg

Eine junge Frau in Siegerpose. Mit einer Hundeleine in der Hand. Mit einem gefangenen Iraker an der Leine. Jeder Mensch kennt dieses Bild, jeder TV-Konsument, jeder Zeitungsleser zumindest. Die US-Soldatin Lynndie Rana England hat sich so primitiv fotografieren lassen, 2003 im Foltergefängnis Abu Ghraib nahe Bagdad. 2004 wurden die Fotos der Erniedrigung publik; England und eine Hand voll einfacher Soldaten wurden wegen ihrer Gewaltexzesse zu Gefängnisstrafen von bis zu zehn Jahren verurteilt, kein Offizier jedoch und schon gar kein Politiker der kriegstreibenden Bush-Regierung.

Die Autorin und Regisseurin Barbara Herold geht dem Fall nach. Am Mittwoch gab es im KosmosTheater die Wiener Erstaufführung von „Covergirl“. In einem 80-minütigen Monolog lotet die Schauspielerin Maria Fliri aus, wie es zu der Geschichte kam.

"Ganz schlimme Dinge"

Fliri spielt England nach deren Haftentlassung nach 521Tagen Gefängnis. Sie hat einen Sohn bekommen, von ihrem Freund Charles. Den nennt sie nur „Shithead“, behauptet, der Freund, von dem sie sich inzwischen getrennt hat, habe sie zu den grässlichen Posen angestiftet. Er sitzt noch. „Zehn Jahre!“ Jedes Mal, wenn England das erzählt, triumphiert sie. Der Kerl hatte sie im Bann, drängte sie zu Nacktaufnahmen und Sexszenen. Das seltsame Hobby führt im Krieg ins Extrem: „Wir haben ganz schlimme Dinge gemacht.“ Die Ausrede: „Ich wollte meinem Land dienen.“ Die vom Anwalt verordnete Konsequenz: „Ich schäme mich.“

Soll man aber dieser einfachen Frau, die in einem Trailer Park in West Virginia aufwuchs, glauben? Sie erzählt eine traurige Geschichte, die Mitleid erregt. England hat sich immer schwer getan. Wie zum Beweis zählt sie immer wieder alphabetisch die Bundesstaaten der USA auf – und scheitert daran. Nach der Highschool wollte sie ans College gehen, sagt sie. Das sei nur über die Army gegangen – also hieß es Irak, sagt sie.

Um diesen Ort kreist die Geschichte. Fliri wechselt gekonnt zwischen blanker Naivität, herbem Heroismus und tiefer Verzweiflung. Ein komisches Intermezzo: die Doppelrolle im Interview, England mit einer grässlichen Journalistin. Als Requisiten hat Fliri nur ein Sofa, ein transparent umrandetes Zimmer und eine Flagge – die wird dann zum Baby, das sie liebend in den Armen hält. Ein Beamer zeigt auf einer Videowall Idyllen aus Amerika oder Grauen aus Amerika, Grauen aus dem Irak – Leere. Cartoons über Abu Ghraib. „Take me home“ ertönt bisweilen eine Schnulze, das ist ein Hilferuf. Es fällt schwer, über diese Soldatin zu urteilen.
(Die Presse | Norbert Mayer | 07.05.)



All-American-Monster Lynndie England

Barbara Herold bringt mit "Covergirl" einen Balanceakt zwischen Rechtfertigungstour, Selbstmitleid und Offenherzigkeit ins Wiener KosmosTheater


"Ich war Covergirl!" Wonach sich die meisten anderen amerikanische Mädchen sehnen - Lynndie England hätte es sich gerne erspart. Ihre in Abu Ghraib in Siegerpose neben gedemütigten nackten Gefangenen aufgenommenen Fotos sind noch fünf Jahre nach ihren ersten Veröffentlichungen so sehr im kollektiven Bewusstsein eingebrannt, dass Autorin und Regisseurin Barbara Herold darauf verzichten kann, sie zu zeigen. Es genügt, davon zu sprechen. Jeder kennt sie.

In ihrem Stück "Covergirl" bittet Herold die junge Ex-Soldatin, die zum All-American-Monster wurde, auf die Bühne und lässt sie erzählen. Im Juni 2008 hatte der Monolog in Bregenz seine Uraufführung, seit Mittwoch, gastiert die Produktion im Wiener Kosmos Theater.

"Doing a Lynndie"

Der nur 80-minütige Abend beginnt und endet mit Projektionen: Zu Beginn belegen Karikaturen die umfassende mediale Reaktion auf die Fotos, die im Frühjahr 2004, ein halbes Jahr nachdem sie aufgenommen worden waren, innerhalb weniger Tage durch die Welt gingen. Am Ende zeigt die Regisseurin im Web kursierende Fotos: "Doing a Lynndie" ist ein beliebtes Gesellschaftsspiel geworden, bei dem Menschen in absurden Zusammenhängen die Pose der schließlich zu drei Jahren Haft verurteilten Frau nachstellen. Dazwischen liegt der Versuch des auf der Bühne als lebendes Ausstellungsstück präsentierten "Covergirls", sich zu rechtfertigen und der von Politik und Medien diktierten Geschichtsschreibung ihre eigene, private Geschichte entgegenzusetzen.

... aber war es wirklich so?

Die in Wien lebende Vorarlberger Schauspielerin Maria Fliri versucht als Lynndie den Balanceakt zwischen Rechtfertigungstour, Selbstmitleid und Offenherzigkeit. Auch wenn Barbara Herold viel recherchiert hat, ist klar, dass es hier mehr um einen paradigmatischen Vorgang als um die "echte" Biografie geht. Natürlich könnte es so gewesen sein, denkt man sich unwillkürlich zwischen Sätzen wie "Ich wollte meinem Land dienen", "Wir haben ganz schlimme Dinge gemacht" und "Ich war zur falschen Zeit am falschen Ort" - aber war es wirklich so?

Betroffenheit

Obwohl Fliri leichtfüßig die Situationen wechselt und auch immer wieder - etwa als Talkmasterin oder die eigene Mutter - in andere Rollen schlüpft, findet sich der Zuschauer letztlich doch immer wieder in der Rolle des Geschworenen oder des Richters. Wollte die damals knapp 21-Jährige wirklich nur ihrem damaligen Freund, dem schließlich zu zehn Jahren verurteilten Charles Graner, gefallen? Wie hoch war der Druck, dem sie sich ausgesetzt sah, und wie widerwillig machte sie mit? Geschah alles tatsächlich mit Wissen, ja sogar der Billigung der Vorgesetzten?

All dies kann "Covergirl" naturgemäß nicht klären. Aber die Produktion stellt sich in vorbildlicher Weise wichtigen Fragen, agiert mit großem Engagement am Schnittpunkt zwischen Theater, Politik und Zeitgeschehen, und verzichtet auch nicht auf Betroffenheit. Nach 521 Tagen, knapp vor Absitzen der Hälfte ihrer Strafe, wurde Lynndie England entlassen. Seither ist sie auf Jobsuche. Bewerbungen könnte sie bestenfalls anonym abgeben, ohne Name und Foto.
(diestandard.at/APA | 07.05.)



Eine Fiktion über Folter, die sich der Kriegsrealität nähert

"Kennen Sie das Bild?", fragt Maria Fliri. Natürlich. Jeder kennt die Pose, die die Schauspielerin nachstellt.

Frau mit Hundeleine, daran ein Mann, Iraker, nackt.

Mit diesem Foto gab US-Soldatin Lynndie England den Folterern im Abu-Ghraib-Gefängnis ein Gesicht. Mit diesem Foto wurde die damals 21-Jährige weltweit zum "Covergirl". So zumindest nennt die Autorin und Regisseurin Barbara Herold ihr Stück, das nun im Wiener KosmosTheater zu sehen ist.

Herold widersteht der Anmaßung, das Unerklärliche erklären zu wollen. Sie schildert. Entwirft eine Fiktion, die sich der Realität nur annähert. Weshalb mancher beim Rausgehen wispert: Die echte England sei aber irgendwie ... was? Primitiver, brutaler, white trash?

Fliri, fulminant, spielt Lynndie - ihr Selbstmitleid, ihre Ratlosigkeit; sie hat getan, was "die da oben" wollten. Und nun? Was der Krieg aus Menschen macht, ist: aus jedem Täter auch ein Opfer.

Und Fliri spielt Lynndie, wie sie uns ihre Eltern, ein TV-Interview, eine Autogrammstunde vorspielt. Eine Karikatur der Ereignisse. Der Anti-American-Way-of-Life, verpackt in ein Antikriegsstück. Sehenswert.
(Kurier | Michaela Mottinger | 08.05.)
 


© by Herold

Termin(e)
  • Mi,  06.05.2009   20:30
  • Do,  07.05.2009   20:30
  • Fr,  08.05.2009   20:30
  • Sa,  09.05.2009   20:30
  • Mi,  13.05.2009   20:30
  • Do,  14.05.2009   20:30
  • Fr,  15.05.2009   20:30
  • Sa,  16.05.2009   20:30
    Preis
  • EUR 16,- | Ö1-Club 12,- | erm. 10,- | KosmosEuro 1,- | Sparpaket 72 + 42 (6-Karten-Package EUR 72,- + 42,-)


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